Interview mit Clarissa Corrêa da Silva

Der GOLDENE SPATZ, das größte Festival für deutschsprachige Kindermedien hat vom 20. bis 26. September 2020 zum 28. Mal ein junges Publikum und Filmgäste nach Gera und Erfurt eingeladen, um deutschsprachige Film- und Fernsehproduktionen sowie digitale Angebote für Kinder zu entdecken und auszuzeichnen. Beim GOLDENEN SPATZ gibt es insgesamt drei Jurys – die Kinderjury Kino-TV, die Kinderjury Digital und die Jury des MDR Rundfunkrates. Bei der großen Preisverleihung am Freitag, den 25. September 2020 wurden dann 7 GOLDENE SPATZEN, ein Jugendfilm-Publikumspreis und ein Urkunden-Preis für das beste Drehbuch vergeben. Ich selbst war ein Teil der fünfköpfigen Kinderjury Digital, bestehend aus zwei Mädchen und drei Jungen im Alter von 11 bis 13 Jahren, insofern war ich weder befangen noch parteiisch, als meine „Kollegen und Kolleginnen“ der Kinderjury Kino-TV meine Lieblingsmoderatorin des KiKA als beste Moderatorin gewählt haben. Die Kinderjury hat entschieden, dass Clarissa Corrêa da Silva die Auszeichnung verdient, weil sie ein großes Talent zum Moderieren hat und mit viel Energie und Freude ihren Job macht. Clari wurde aber nicht nur als beste Moderatorin ausgezeichnet, denn für „Triff… Harriet Tubman“ gab es einen weiteren GOLDENEN SPATZEN. In der Kategorie Information/Dokumentation/Dokumentarfilm konnte dieses KiKA-Format ebenfalls die Kinderjury überzeugen, weil der Beitrag informativ ist und ein interessantes und wichtiges Thema beinhaltet, das durch die guten Schauspieler und Schauspielerinnen positiv hervorsticht. Selbstverständlich habe ich natürlich gleich die Gelegenheit genutzt, um Clari ein paar Fragen zu stellen. 😉

Leo: Angefangen hast du mit der Sendung „KUMMERKASTEN“ beim KiKA. Mittlerweile moderierst du aber auch Wissen macht Ah!“, „Die Sendung mit der Maus“ und die sehr erfolgreiche Sendung „Triff…“. Welches Format magst du am liebsten und warum?

Clari: Ich finde es sehr schwierig, den Sendungen ein Ranking zu geben. Sie sind sehr, sehr unterschiedlich und jede in ihrer Art wirklich gut und alles tolle Wissensformate. Ich glaube, am liebsten mag ich es eben, Wissen zu vermitteln und das auf Augenhöhe mit den Zuschauer*innen.
„KUMMERKASTEN“ war mein Herzensprojekt, da ich damit irgendwie groß geworden bin – wenn man das so sagen kann. Aber es ist auch ok, dass es jetzt vorbei ist.
„Wissen macht Ah!“ war für mich erstmal total surreal und eine riesengroße Ehre, Teil dieses unfassbar tollen Formats zu sein. Ich bin unfassbar dankbar für die Freundschaft zu Ralph, und dass wir uns von Anfang an so gut verstanden haben.
„Die Sendung mit der Maus“ ist wie ein großes Familienfest und das ist einfach auch nur unfassbar toll, Teil dieser Familie und diesem absoluten Klassiker für alle Generationen zu sein.
„Triff…“ ist ja irgendwie mit mein Baby – aber es ist auch das jüngste Format und man kann daran noch viel feilen. Umso schöner, dass wir das noch hoffentlich lange weiter machen können und dürfen.

Leo: An der Seite von Ralph Caspers moderierst du Wissen macht Ah!“ –  eine Sendung, in der ihr uns Kindern Interessantes und Wissenswertes aus der ganzen Welt erklärt und das nicht nur lustig und urkomisch, sondern tatsächlich auch lehrreich. Da haben sich ja zwei „Besserwisser“ gesucht und gefunden, oder?

Clari: Absolut – ich würde sagen, vielleicht nicht Besserwisser – denn wir korrigieren uns ja jetzt nicht permanent – sondern Klugscheißer und Hüterin und Hüter des Unnötigen Wissens. 😉

Leo: Erzähl mal, hattest du Bammel in die Fußstapfen von Shary Reeves zu treten, die 16 Jahre lang diese Sendung mit Ralph moderiert hat?

Clari: Absolut! Ich hatte großen, gesunden Respekt, in Sharys Fußstapfen zu treten. Wusste aber schnell, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, dass wir einfach ein Dreier-Team sind (zumindest in der Wahrnehmung der Zuschauer). Das heißt, ich wollte auf keinen Fall eine „neue Shary“ sein, sondern ich bin einfach ich – Clarissa. Shary und Ralph haben eine besondere Beziehung und Ralph und ich haben auch eine besondere Beziehung. Und das merkt man auch. Und schon ist es automatisch etwas Neues. Aber überhaupt nicht nötig, mit dem anderen zu vergleichen. Ich bin überglücklich, dass das einfach so super funktioniert.

Leo: Immer wenn ich „Wissen macht Ah!“ schaue, muss ich lachen, bevor überhaupt irgendetwas Lustiges passiert, weil ich genau weiß, dass Ralph jetzt bestimmt wieder was raushaut. Wie ist das denn beim Drehen? Passiert da viel spontan? Oder habt ihr wirklich ein festes Konzept?

Clari: Wir haben schon erstmal ein festes Konzept. Denn unser Problem sind tatsächlich die Sendelängen. Sonst könnten wir viel, viel mehr improvisieren. Aber dadurch, dass unsere Moderationen ja keine Schnitte haben – also sogenannte „Onetaker“ sind – müssen wir es schaffen, in der Zeit zu bleiben und dafür ist ein Konzept natürlich hilfreich. Trotzdem passiert immer irgendetwas Spontanes. Wir lachen sehr, sehr viel, meistens über uns selber. Weil wir irgendwas fallen gelassen haben, witzige Versprecher hatten oder ein Experiment irgendwie völlig aus dem Ruder läuft.

Leo: Müsst ihr oft lachen und dann Szenen mehrmals drehen? Oder könnt ihr auf Knopfdruck ernst sein?

Clari: Wir versuchen oft, unsere witzigen Momente einfach drin zu lassen, denn es ist ja auch witzig, aber manchmal müssen wir es dann doch mehrfach drehen, weil wir sonst einfach zu lang werden in der Gesamtzeit der Sendung. Auf Knopfdruck ernst sein, klappt gaaaaanz selten und hält dann meistens auch nicht besonders lang.
In der letzten Staffel hatte ich einmal bestimmt einen fünfminütigen Lachanfall, sodass die Kamerafrau irgendwann die Kamera absetzte und meinte „das dauert bestimmt noch ein bisschen…“, es mussten aber auch alle mitlachen.

Leo: In deiner Sendung „Triff…“ bist du eine zeitreisende Promireporterin und du triffst berühmte Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Wenn du die Möglichkeit hättest, tatsächlich jemanden in der Vergangenheit zu besuchen – egal wen, wer wäre das?

Clari: Harriet Tubman natürlich – die würde ich sehr gerne treffen.

Leo: Ich selbst würde höchstwahrscheinlich Albert Einstein wählen, denn er war nicht nur genial, sondern auch ein Mann mit einer guten Portion Humor.

Clari: Gut, dass du das sagst. Albert Einstein haben wir definitiv auch auf unserer Liste. 😉

Leo: Wie kamst du überhaupt zum KiKA? Hast du direkt nach der Uni dort angefangen?

Clari: Zum KiKA kam ich, während ich mein Masterstudium in Weimar machte. Ich hab während meines Studiums immer nebenbei gearbeitet und eigentlich auch immer irgendwie redaktionell. Das brauchte ich für mich als Ausgleich zur trockenen Theorie und klar auch zum Leben aber eben auch, weil ich wusste, ich möchte unbedingt Journalistin werden und dafür braucht man vor allem Erfahrung. Da ich den KiKA schon immer toll fand – einfach gut und großartig, dass es einen öffentlich-rechtlichen Sender für Kinder und Jugendliche gibt – habe ich alles daran gesetzt, da arbeiten zu können. Nach der Uni durfte ich dann als freie Mitarbeiterin / Redakteurin in der Redaktion Nonfiktion anfangen und habe erstmal vor allem KiKA LIVE Sendungen gemacht.

Leo: Wusstest du schon während deiner Schulzeit, dass du eines Tages in der Medienbranche arbeiten möchtest? Was war denn dein Berufswunsch als du noch ein kleines Kind warst?

Clari: Ich wusste lange nicht, was ich später mal machen möchte. Als Kind wollte ich Kommissarin werden – als ich dann aber erfuhr, dass ich dafür eine Waffe tragen muss und eventuell auf Leute schießen muss, wollte ich das nicht mehr. Zwischenzeitig wollte ich dann Primaballerina werden. Da wurde mir aber auch schnell klar, dass das ein hartes Leben wird. Also war ich irgendwann auch auf dem Weg, zu sagen – ich ziehe nach Usedom, kaufe mir ein paar Pferde, werde Reitlehrerin und Schriftstellerin. Und zum Abi hin wusste ich aber, da schlägt ein großes Journalistinnen-Herz in mir.

Leo: Wie kam es dazu, dass deine Familie, als du 14 Jahre alt warst, nach São Paulo gegangen ist? Berlin war ja deine Heimat, auch wenn du brasilianische und israelische Wurzeln hast, war es da nicht schwer Anschluss in São Paulo zu finden?

Clari: Meine Eltern sind getrennt und meine Mutter war in Deutschland nicht mehr so happy. Also begleitete ich sie zurück in ihre Heimat und für mich hin in meine zweite Heimat. Ich wusste, nach dem Abi kehre ich zurück, um in Deutschland zu studieren. Aber klar – es war super hart. Gerade in dem Alter, ich hatte meinen ersten Freund und meine Freunde und alles… das war schrecklich.

Leo: Bist du dann vom deutschen Gymnasium direkt auf eine brasilianische Schule gegangen? Wie war das für dich?

Clari: Ich kam auf eine deutsch-brasilianische Schule. Das war eine private Eliteschule und ich fand das ganz furchtbar. Man war irgendwie auf dem Gelände eingesperrt, musste Uniform tragen und es war ein krasser Leistungsdruck. Da ich in der bilingualen Klasse war, hatten wir das Doppelte an Fächern aber die Hälfte der Zeit für den Stoff. Ich hatte aber keine andere Möglichkeit, denn nur da konnte ich ganz normal das Abitur ablegen, um dann problemlos in Deutschland studieren zu können.

Leo: Ich stelle mir das vor allem in diesem Alter sehr schwierig vor, wenn man seine Heimat und Freunde zurücklassen muss.

Clari: Zum Glück fand ich ziemlich schnell gute Freundinnen. Nicht viele aber dafür eben echte und gute und das macht alles schöner. Wenn man gute Leute um sich rum hat, kann man eigentlich überall glücklich werden – das habe ich da gelernt.

Leo: Brasilien und Deutschland – das sind zwei sehr unterschiedliche Kulturen. Mit welcher Mentalität kommst du besser klar? Das ist zwar immer ein wenig Klischee behaftet, aber ich vermute sehr, dass das Leben in Brasilien ganz anders ist als in Deutschland. Was ist für dich richtig typisch deutsch und was brasilianisch?

Clari: Das stimmt. Brasilien und Deutschland sind sehr unterschiedlich. Aber es gibt keine Mentalität, mit der ich besser klar komme. In beiden Kulturen und Mentalitäten gibt es viele gute Dinge, aber auch viele die mich nerven. Ich versuche, für mich die guten Dinge aus beiden zu vereinen.

Leo: Was ist dein Lieblingsessen?

Clari: Mein absolutes Lieblingsessen sind Falafel und Hummus. Hmmm, aber so ein guter leckerer Flammkuchen geht auch immer… hahahah, ich liebe einfach Essen. Außer Bananen, mit denen kannst du mich jagen.

Leo: Gibt es ein brasilianisches Gericht, das ich unbedingt mal probieren sollte? 

Clari: Es gibt viele tolle brasilianische Gerichte – aber ich würde dir auf jeden Fall mal empfehlen, Feijoada zu essen, wenn dir das mal über den Weg läuft. Das ist eigentlich DAS brasilianische Traditionsgericht. Ein schwarzer Bohneneintopf und stammt aus Zeiten der Sklaverei. Die Familien haben sich den zubereitet mit den Resten, die sie von ihren Besitzer*innen bekamen und konnten vor allem lange gut davon essen, wenn sie jeden Tag nur ein bisschen Wasser dazu gaben. Heute ist das wirklich immer ein tolles Event, wenn es Feijoada gibt.

Leo: Als Buchbloggerin muss ich dir natürlich noch die Frage nach deinem Lieblingsbuch stellen. Ich habe gelesen, dass du als Kind gerne Petterson und Findus gelesen hast. Ich gestehe, ich lese diese Geschichten noch immer sehr gerne. Welches Buch würdest du heute als dein Lieblingsbuch bezeichnen?

Clari: Jaaaa, Petterson und Findus ist toll! Mein Papa hat die mit mir immer gelesen und er war der alte Petterson und ich der quirlige Findus. Manchmal hat er mich dann auch so genannt… Zu meinem zwanzigsten Geburtstag habe ich mir die Bücher auch alle noch einmal gewünscht – damit ich sie alle habe und ich sie hoffentlich irgendwann mit meinen Kindern lesen kann. Aber ich muss sagen, mein absolutes Lieblingsbuch bis heute ist Ronja Räubertochter. Das ist auch für Erwachsene immer toll, weil es auch gar nicht so simpel geschrieben ist.

Leo: Und welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Clari: Zuletzt habe ich auf Englisch den Roman „The Tattooist of Auschwitz“ gelesen. Das war sehr fesselnd und aber auch unfassbar traurig. Außerdem gab es dieses Pärchen tatsächlich, das gemeinsam Auschwitz und den zweiten Weltkrieg überlebt hat.

Leo: Was mich noch interessieren würde, ich habe gelesen, dass du abwechselnd deutsche, englische und portugiesische Bücher liest. Fällt dir das leicht? Ich lerne Englisch, Latein und Spanisch an der Schule und denke aber immer deutsch und übersetze dann im Kopf. Wie funktioniert das bei dir? Macht das überhaupt einen Unterschied für dich? Oder sprichst du die Sprachen alle so fließend, dass du gar nicht darüber nachdenken musst, was du liest?

Clari: Ja, das mache ich, um die Sprachen zu trainieren. Sprache ist ja nun mal schon wie ein Muskel – wenn du sie nicht regelmäßig sprichst, liest oder hörst, vergisst du natürlich auch immer ein bisschen was. Ich bin mit deutsch und portugiesisch groß geworden, das heißt, da muss ich nicht viel nachdenken, wenn ich das lese. Wobei ich im Portugiesischen schon auch Wörter nachschauen muss – vor allem, wenn es ältere oder sehr spezifische Wörter sind, die man jetzt so zuhause nicht spricht.

Leo: Herzlichen Glückwunsch! Du bist Preisträgerin des 28. Festivals GOLDENER SPATZ. Und das sogar zweifach! Denn einen Preis hast du in der Kategorie Information/Dokumentation/Dokumentarfilm für „Triff…Harriet Tubman“ erhalten und einen als beste Moderatorin. Auch wenn ich selbst nicht in der Kinderjury Kino-TV saß, sondern in der Kinderjury Digital, bin ich so froh, dass du das Rennen gemacht hast. Meine Stimme hättest du auf jeden Fall bekommen, weil das Format „Triff…“ echt klasse ist. Was war dein erster Gedanke, als du die Nachricht erhalten hast, dass du gewonnen hast? Und wen hast du als erstes dann angerufen?

Clari: Als Erstes bin ich zu meiner guten Freundin gerannt, die glücklicherweise auch bei mir mit in der Redaktion arbeitet und dann habe ich eigentlich gleich in die WhatsApp-Gruppe mit meinen Eltern geschrieben. Ich war total geehrt und habe mich riesig gefreut und das möchte man ja als Erstes mit seinen Liebsten teilen.

Vielen Dank, liebe Clari, dass du so spontan Zeit und Lust hattest, mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich freue mich schon auf viele weitere Folgen von „Triff…“ – vor allem auf die über Albert Einstein.