Interview mit Stefanie Gerstenberger

Ich beteilige mich sehr gerne an Leserunden wie z.B. bei LovelyBooks oder bei der Lesejury, weil ich ganz großen Spaß daran habe, zu erfahren, was die anderen Leser an einem Buch gut finden oder auch nicht. Manche Textstellen werden ja auch ganz anders wahrgenommen und interpretiert. Ganz spontan kam es dann im Mai dazu, dass ein paar junge Buchbloggerinnen gemeinsam mit mir das Buch „Die Wunderfabrik: Keiner darf es wissen!“ von Stefanie Gerstenberger lesen wollten. Wir waren so begeistert von dem Buch, dass wir uns entschlossen haben: „Das müssen wir wieder tun!“ Deshalb lesen wir ab sofort „Die Wunderfabrik: Nehmt euch in Acht!“ Das schöne an unserer kleinen Leserunde ist aber die Tatsache, dass uns die Autorin abermals begleitet. Stefanie Gerstenberger hat uns auch schon während der ersten Runde mit Hintergrundinformationen versorgt und ich möchte euch natürlich nicht vorenthalten, welche Fragen ich der Autorin zwischenzeitlich gestellt habe. 😉

Leo: Ich bin überrascht, was du alles gemacht hast, bevor du Autorin geworden bist. Wie kam es denn dazu, dass du dich dann entschlossen hast ein Buch zu schreiben und dann gleich einen Bestseller? War „Das Limonenhaus“ tatsächlich dein erstes Werk oder hast du früher auch schon geschrieben?

Steffi: Nachdem ich mit 26 Jahren zwei Sommer hintereinander auf Elba verbracht habe, dort habe ich in einer kleinen Bar (aber eigentlich war’s eine Eisdiele), gearbeitet, und beim zweiten Mal dann in einer Diskothek an der Kasse, dachte ich: Mensch, jetzt hast du so viele tolle Sachen erlebt, die schreibst du jetzt mal auf! Und das tat ich. Und kam nach 60 Seiten nicht weiter, und konnte auf einmal nicht mehr schreiben und hatte keinen Plan … Dann las ich mehrere Bücher über das Schreiben und schrieb weiter, am selben Buch, ungefähr sechs Jahre lang. Kein Witz! Irgendwann war der Roman fertig, aber niemand wollte ihn haben, keine Agentur, und auch kein Verlag. Er war einfach noch nicht gut, aber das wusste ich nicht und war ziemlich frustriert.
Eine Freundin sagte dann, schreib doch noch ein zweites Buch, da ging ich erstmal wütend an die Decke, denn so einfach ist das alles nicht…
Aber: Sie hatte recht! Nachdem ich auf Sizilien war, hatte ich wieder eine Idee und begann…, diesmal besser vorbereitet, und ich schrieb auch nicht über meine Erlebnisse, sondern über die anderer Menschen: Das Limonenhaus. Die Agentur Schlück wollte das Manuskript sofort haben, obwohl noch ca. 200 Seiten fehlten, und siehe da, sogar einige Verlage waren interessiert und es wurde ganz erfolgreich.

Leo: Nach einigen Büchern für Erwachsene hast du gemeinsam mit deiner Tochter Marta ein paar Jugendbücher geschrieben. Erzähl doch mal, wie es dazu kam. Hat sich das nach und nach ergeben, weil du ihren Rat gebraucht hast, oder war die Zusammenarbeit tatsächlich geplant?

Steffi: Das war eine Idee, die schon sehr früh, beim gemeinsamen Spielen mit Marta entstanden ist. Wir spielten mit Puppen und mit Playmobil; wir haben wunderbare Phantasiewelten miteinander entworfen. Ich überlegte, was wäre, wenn ich wieder sechs, sieben oder acht Jahre alt wäre, und Marta als Kind treffen würde? Jetzt, in ihrer Kindheit, oder früher, in meiner Kindheit? Und habe diese Vorstellung einmal durchgespielt. Wir wären ziemlich beste Freundinnen geworden, ganz sicher!
Die Idee, so eine Geschichte einmal aufzuschreiben, habe ich nicht vergessen und als ich Marta dann 2013, zu den Dreharbeiten zum 2. Teil der Vampirschwestern-Filme begleitet habe, ging es los…
Im Zug nach München haben wir die ersten Figuren entworfen, festgelegt, wie sie „ticken“ sollten, natürlich sollten sie jetzt älter sein, nicht mehr sieben, sondern 15! Und es waren auch nicht wir (nur ein bisschen). Marta hat die Hauptfiguren in unsere schöne leere Schreib-Kladde gezeichnet. Wir haben die Familie Zimt und ihr wunderbar nach Schokolade duftendes Café ins Leben gerufen (wir lieben beide Schokolade, und Kuchen sowieso), und einen Grundriss davon gezeichnet. Ach, ich könnte noch seitenweise davon erzählen…
So wuchs die Geschichte in den nächsten Wochen. Als wir wieder zu Hause waren, ging es natürlich weiter. Und nach dem Erfolg des ersten Buches, wollte der Arena Verlag dann auch ein zweites und drittes… Für alle ab 12, traut euch, es sind auch tolle Geschichten!

Leo: Dann kam die Anfrage vom Fischer Verlag für ein Kinderbuch. Wie war das dann? Hattest du sozusagen nur eine Vorgabe, ein Kinderbuch zu schreiben? Du hast unserer Lesegruppe zu Band 1 erzählt, dass es eigentlich ein Kinderbuch mit dem Thema „Rollschuh laufen“ sein sollte. Wie hat der Verlag reagiert, als du dann gesagt hast, dass es doch was ganz anderes wird? Hat der Verlag dir einfach mal blind vertraut?

Steffi: Nach sechs Romanen für Erwachsene und 5 Jugendbüchern zusammen mit Marta kam die Anfrage vom Fischer Verlag, nachdem ich dort ein sehr süßes Bilderbuch rausbringen durfte. Ich habe die Rollschuhidee ablehnen müssen, dazu fiel mir echt nichts ein, und habe nur aufgezählt, was mich dagegen interessiert: Kinder ohne Eltern, ein dunkles Kinderheim, eingesperrt, Flucht, der Bösewicht, Ungerechtigkeit, Schokolade!
Und habe das dann auf zwei kurzen Seiten beschrieben. Henry war ursprünglich ein Mädchen (!), aus der Schokolade wurden Bonbons… aber sonst war schon viel Verrücktes aus der Wunderfabrik mit dabei.
Und mit diesem Entwurf haben wir dann gearbeitet, das war super, die „Bücherfrauen“ von Fischer waren nicht das kleinste bisschen irritiert, sondern haben mir echt vertraut!

Leo: In „Die Wunderfabrik“ geht es um Lakritze und was viele nicht wissen, du magst Lakritze nicht besonders – was ich übrigens vollkommen verstehe, denn ich esse wirklich alles, nur keine Lakritze. Wieso also Lakritze?

Steffi: Weil kurz bevor die Wunderfabrik herauskommen sollte, unheimlich viele Bücher mit diesem Bonbonthema & Magie ebenfalls herauskommen sollten…
Also wurde ich gefragt, ob ich mir statt Bonbons auch Lakritze vorstellen könnte. Ich sagte: Nein. Aber jetzt im Nachhinein, finde ich Lakritze viel besser! So schön dunkel und zäh in der Herstellung, und sie wird bunt, was Bonbons ja bereits gewesen wären. Perfekt also. Und manche Lakritzesorten mag ich auch. Zum Beispiel, die Schnecken, die man so schön ausrollen kann.

Leo: Bevor es mit dem Schreiben zum ersten Band anfing, warst du extra in England und in Wales. Welche Eindrücke konntest du sammeln und was konntest du dann verwerten? Hattest du einen richtigen Plan, was du alles in Wales recherchieren möchtest, oder war das Sammeln von Eindrücken eher spontan?

Steffi: Ich muss zugeben, ich kannte England gar nicht…! Nur aus vielen Büchern und Filmen, wie z.B. Harry Potter, aber das zählt ja nicht wirklich.
Und nach Wales wollte ich, seitdem ich mit 12 Jahren bei einem Schwimmaustausch nicht mit nach Cardiff durfte … wie gemein! Da war also auch noch eine Rechnung offen.
Als ich endlich in London aus dem Zug stieg, dachte ich: WOW! So habe ich es mir tatsächlich vorgestellt!
Aber die kleinen Details, die in Büchern so wichtig sind, die habe ich natürlich nicht gekannt, und dann wie wild um mich fotografiert und notiert. Es war herrlich!
Porridge probiert, U-Bahn gefahren, walisische Schafe beschnuppert, walisischen Eintopf gegessen… Ich konnte alles „gebrauchen“! Wales ist übrigens noch mal sehr speziell, ich bin mit dem Auto (auf der falschen Straßenseite) an die Küste gefahren, um ein hübsches Plätzchen für meine Villa zu finden und die Fabrik irgendwo unterzubringen. Warum nicht unter einer Düne, die ich dort entdeckte…?
Das ist meine Erfahrung: Ich darf nicht zu früh losfahren, sondern muss die Geschichte schon einigermaßen im Kopf haben, um zu wissen, wonach ich suche…
Die Fotos habe ich dann immer über meinem Schreibtisch hängen, um auch zu Hause noch in dieser Atmosphäre zu bleiben.

Leo: Übrigens finde ich die Geschichte, wieso die Reihe in Wales spielt, ganz zauberhaft. Ein lang gehegter Wunsch selbst mal nach Wales zu reisen, ging also hiermit für dich in Erfüllung. Ich bin gespannt, welche Länder du in Zukunft noch bereisen möchtest. Ist denn schon irgendetwas in Planung? Band 3 erscheint im Frühjahr und was kommt danach?

Steffi: Das weiß ich noch nicht genau. Der 3. Teil ist übrigens echt toll geworden, ich war beim Schreiben selber überrascht, wie gut es flutschte und welchen Spaß ich wieder mit allen Figuren hatte. Besonders mit… oh, ihr werdet euch wundern…
Ein viertes Buch darf ich für den Fischer Verlag noch schreiben, aber weil der dritte Teil der Wunderfabrik so ein geniales, abschließendes Ende hat, (meine bescheidene Meinung) wollen wir es zunächst mal dabei belassen und keinen 4. Teil dranhängen. Es sei denn, eine von meinen Leserinnen hat eine tolle Idee für eine Fortsetzung… dann heraus damit!
„Die Wunderfabrik“ war ja von Anfang an auf 3 Teile ausgelegt, aber ich finde, eine eigenständige Geschichte wäre jetzt ganz erfrischend, die dann eventuell noch ausgebaut werden kann.

Leo: Zum Abschluss des Interviews möchte ich mich natürlich recht herzlich bei dir bedanken, dass du ein Teil unserer ersten Leserunde warst. Toll, dass du uns mit Hintergrundinformationen „gefüttert“ und uns Einblicke ins private Fotoalbum gewährt hast. Ich freue mich nun sehr auf die zweite Leserunde.

Steffi: Danke, liebe Leo! Es hat mir viel Spaß gemacht und bin sehr gespannt, wie ihr Leserunden-Teilnehmerinnen den 2. Teil findet!